Kein Durchbiss mehr
bei Mensch und Tier

Schon wieder ist fast ein Jahr herum (wir haben September), und es hat die ganze Zeit über keine neue Kurzgeschichte gegeben?! Okay, okay, wir schämen uns ja schon - die Sache wird aber erklärlich, wenn man bedenkt, wie dieses Jahr bislang gelaufen ist.... Daher passt diese Geschichte auch nicht so recht zu der Reihe "ein Tag im Leben", sondern sollte besser heißen: "2004 - ein Rückblick".

Januar und Februar:

Das Jahr 2004 begann so wenig vielversprechend wie 2003 endete.... Schlechtes Wetter und eine vor lauter Stress und Prüfungsangst nahezu hysterische und ständig bis aufs Blut gereizte Junior-Dosine (das Abitur steht nämlich gerade vor der Tür!) sorgen für eine dermaßen katastrophale Stimmung im Haus, daß man nur noch ans Auswandern auf eine einsame Kokosinsel denkt. Mein Knie tut auch noch immer weh - der Unfall im vergangenen November hat doch scheinbar längere Auswirkungen als gedacht und beeinträchtigt meine Bewegungsfreiheit enorm. Für die, die es bis jetzt nicht wissen: mein bester Freund in Amsterdam, Maarten, hatte sich einen neuen Motorroller zugelegt, und bei einer abendlichen Fahrt nach Hause (nach einem herrlichen Stadtbummel) sind wir in einer unübersichtlichen und nicht beleuchteten Baustelle gegen den - aufgrund der veränderten Fahrspur für Fahrräder und Roller auf einmal mitten im Weg stehenden - Pfahl eines Behindertenparkplatzes geprallt und daraufhin ein paar Meter weit geflogen, nur knapp an einem Baum vorbei. Der Abend endete für mich im Krankenhaus: schwer geprelltes Knie und dito Hüfte, ein ausgerissener Zehennagel und viele blaue Flecken, aber zum Glück keine Brüche. Die Prellung im Knie geht jedoch nur schleppend zurück und tut, wie gesagt, noch immer ziemlich weh. Auch der Blick auf unser Terrarium schmerzt noch immer: es steht leer, seit unsere Strumpfbandnatter Audrey am ersten Advent 2003 verstorben ist - vermutlich an Altersschwäche, denn wir hatten sie ja schon als ausgewachsene Schlange gekauft. Eine neue Schlange soll vorerst nicht mehr einziehen, der Kummer ist zu groß. Auch Flöckchen und Patch halten sich diese Monate ein wenig bedeckt: sie spüren die schlechte Stimmung und wissen nicht so genau, wie auf all das um sie herum reagieren sollen. Mit dem üblichen Katzenunfug halten sie sich insofern auch merklich zurück. Nicht einmal irgendwelche Mäuse lassen sie in der Wohnung laufen. Sie trauen sich sichtlich nicht mehr...

März, April und Mai:

Ein Silberstreif am Horizont! Es wird Frühling, die Sonne scheint wieder öfter, und Junior-Dosine Tini hat ihr Abitur glücklich in der Tasche: die ganze Aufregung und Panik ist vollkommen überflüssig gewesen, wie sich herausgestellt hat! Auch Junior-Dosenschlepper André hat seine Prüfung hinter sich: die Umschulung zum Großhandelskaufmann ist endlich abgeschlossen, und seine Ausbildungsfirma hat ihn sogar übernommen. Wird das Jahr am Ende doch noch schön? Hoffnung keimt auf. Es sieht auf einmal alles so gut aus!

Juni, Juli, August und September:

Denkste! Ich stelle fest, daß sich in meinem Gaumen eine Schwellung bildet, die rasant immer größer wird und mich auch bereits beim Sprechen behindert. Was ist das denn?! Ab zum Zahnarzt. Der diagnostiziert eine schlimme Kieferentzündung, schneidet die Schwellung erstmal auf und meint dann, das müsse richtig operiert werden. Ich bekomme also eine Überweisung zum Chirurgen und bemühe mich auch dorthin zwecks nochmaliger Untersuchung und Vereinbarung eines OP-Termins. Daß der Parkplatz der Kieferklinik gleichzeitig auch der Parkplatz von einer Kirche nebst Friedhof ist, hätte mir bereits zu denken geben sollen... Der Chirurg erklärt mir, daß die Entzündung noch viel schlimmer ist als angenommen, denn sie erstreckt sich auch auf den Unterkiefer. Er stellt mir in Aussicht, demnächst auf der gesamten rechten Seite nur noch auf Felge kauen zu müssen, da er findet, sämtliche Zähne dort müßten unwiderruflich raus, da der Kieferknochen bereits zum Teil zurückgebildet sei! Wie ein geprügelter Hund schleiche ich von dannen. Die Tränen rinnen! Erstens habe ich Angst vor der Operation, und zweitens: wie soll ich, bitteschön, den danach nötigen Zahnersatz bezahlen? Meine Arbeitslosenhilfe beträgt doch nur 700,- Euro im Monat! Außerdem macht sich noch am selben Abend ein leises Halskratzen bemerkbar. Aha? Auch noch eine Erkältung? Nein, so einfach komme ich natürlich nicht davon! Warum sollte ich auch! Die "Erkältung" entpuppt sich wenig später als reinrassige Virus-Sommergrippe und setzt mich für gute fünf Wochen außer Gefecht. Der OP-Termin wird auf unbestimmte Zeit verschoben. Schmerzen habe ich zum Glück keine mehr, seit die Schwellung (die sich als immense Eiterbeule entpuppt hatte) aufgeschnitten und der damit zusammenhängende Zahn aufgebohrt wurde, damit Luft an die Sache rankommt und sich kein Eiter mehr aufstauen kann. Dafür gibt es aber nun durch die Grippe wochenlang Luftnot, Schmerzen, wunde Schleimhäute und hohes Fieber. Auch die Oma hat sich angesteckt und hat von ihrer Sommergrippe sogar bis heute einen quälenden Reizhusten zurückbehalten. Die Ärzte sind machtlos dagegen.

Wieder zeigen sich die Katzen solidarisch! Flöckchen, die sowieso an Oma klebt wie ein Stück Eisen am Magnet, weicht ihr nun erst recht nicht mehr von der Seite und versucht sie zu trösten, wo immer sie kann. Die Bemühungen unseres kleinen, weißen Flauschballs sind wirklich rührend! Patch dagegen hat sich darauf verlagert, bei mir Krankenwache zu halten und wärmt abwechselnd meine Füße und den Bauch. Bis zu einem Wochenende... Mein bunte Tigerine wirkt am Freitagabend auf einmal kläglich, weint lauthals und verwandelt sich in eine wahre "Königin von Sabber": es fließen ihr auf einmal regelrechte Wasserfälle aus dem Mäulchen! Das Futter wird verweigert, sogar die von ihr so geliebte Käsecreme mag sie nicht mehr vom Finger schlecken. Die Diagnose liegt auf der Hand: sie hat Zahnschmerzen! Aber wo bekommt man am Wochenende einen Tierarzt her? Erst am Sonntag bekomme ich endlich den Tierarzt an die Strippe, der als Notdienst für das Wochenende eingetragen ist. Doch Patch hat sich bereits am Samstag heimlich, still und leise aus dem Staub gemacht und sich im Garten verkrochen. Sie bleibt unauffindbar (ich drehe fast durch vor Angst um meinen kleinen Schatz) und kommt erst am Sonntagabend wieder zum Vorschein. Tini und ich sammeln sie sofort ein und fahren mit ihr umgehend in die Praxis. Wie wir gesehen haben, hat sie bereits einen Zahn verloren: ein Eckzahn im Unterkiefer fehlt. Patch randaliert unterdessen im Transportkorb: nicht nur, daß sie Zahnweh hat und furchtbar leidet, nein, jetzt ist sie auch noch eingesperrt und muß im Auto sein, was sie hasst wie die Pest. Sie versteht die Welt nicht mehr und fühlt sich sichtlich ungeliebt. Es ist zum Heulen! Warum kann man so einem Tierchen nicht erklären, daß man das doch nur deshalb tut, damit es ihm bald wieder besser geht und nicht, um es noch mehr zu quälen?!

Beim Tierarzt angekommen geht es aber erst richtig los. Er begutachtet Patch's Zähne und stellt fest, daß die furchtbar schlecht sind. Er meint, bei einer sechsjährigen Katze sollte das eigentlich nicht so aussehen, und ob sie schon mal auf FIV untersucht worden wäre... Ich falle fast in Ohnmacht allein bei der Vorstellung, und wiederum rinnen unkontrolliert die Tränen. Nicht auszudenken!!! Aber zunächst muß akute Hilfe geleistet werden, denn auch Patch hat augenscheinlich eine saftige Kieferentzündung entwickelt. Eine Vollnarkose ist nicht drin, weil es sehr heiß ist an diesem Tag und Patch vermutlich bereits relativ dehydriert ist. Also gibt es nur eine "ich-bin-so-besoffen-Spritze", und dann müssen wir eben so operieren, was nicht leicht ist, da sich Patch trotz der Spritze noch immer gut wehrt. Von ihren verbliebenen drei Eckzähnen werden die beiden im Oberkiefer gezogen - sie gehen aber dermaßen leicht raus, daß der Tierarzt mutmaßt, man hätte sie sogar einfach mit den Fingern entfernen können. Da liegen nun die zwei langen Dinger auf dem Tisch. Mein direkter Nachfahre eines Säbelzahntigers (wie ich immer vermutet habe) trägt nun den ultimativen Piraten-Look: ein Eckzahn im Unterkiefer ist noch da und verleiht ihr ein etwas etwas seltsames Aussehen. Die Eckzähne darf ich mitnehmen. Patch bekommt noch zwei Spritzen: einmal einen riesigen Bomber mit Aufbauflüssigkeit und einmal ein Schmerzmittel. Am nächsten Tag sollen wir mit ihr zu unserer Tierärztin, die eine Blutuntersuchung auf FIV machen und die Zähne noch einmal nachsehen soll.

Wieder zuhause ist Patch bedient und möchte sich verkriechen, was aber wegen der einen Spritze nicht geht, da ihr die Beine versagen: hilflos robbt sie durch das Wohnzimmer, und aus ihrem Blick spricht ein grenzenloser Hass auf die ganze Welt. Flöckchen merkt, daß etwas ganz und gar nicht in Ordnung ist, und schiebt solidarisch Panik: sie schreit und miaut so laut, als ob sie selber gerade zum Tierarzt soll, und geht die Wände hoch.... Es ist ihr nicht zu erklären, daß ihr garantiert nichts passieren wird - Flöckchen ergreift sicherheitshalber die Flucht! Kommt aber nicht weit, weil wir die Katzenklappe verschlossen haben, damit sich Patch sich im Laufe der Nacht nicht wieder verkrümelt: immerhin muß sie ja am nächsten Tag wieder zum Tierarzt. Sie tut mir jetzt schon leid...

Am nächsten Morgen ist es soweit: Patch wird wiederum in den Transportkorb verfrachtet und diesmal zu unserer Tierärztin gefahren. Kurz die Sachlage geschildert, dann schreitet man zur jetzt leider nötigen Blutuntersuchung. Patch ist grenzenlos bedient! Sie liegt auf dem Untersuchungstisch und ist das personifizierte Leid! Die restlichen Zähne darf sie nach erster Begutachtung erstmal behalten, aber ein Zahn ist da, den wir ein wenig im Auge behalten müssen. Eventuell muß der auch noch dieses Jahr raus, aber das erfahren wir im November, wenn es wieder zum Impfung geht. Momentan kann man alles so lassen, wie es ist. Zwei Tage später erfahren wir dann das Ergebnis der Untersuchung: Patch hat kein FIV!!!! Hurra!!!! Ihre schlechten Zähne scheinen einfach Veranlagung zu sein, und damit muß man eben lernen zu leben. Wie um mir zu beweisen, daß sie trotzdem noch eine Katze mit allem Drum und Dran ist, schleppt mir Patch am selben Tag gleich eine Maus an. Ich bin erleichtert. Scheinbar ist also wieder alles beim alten, trotz fehlender Zähne. Das kann ich von mir selber allerdings nicht behaupten, denn ich konnte mir bis heute keinen neuen OP-Termin geben lassen: das Arbeitsamt hat nämlich meine Unterlagen verschlampt und zahlt mir seit Monaten schon kein Geld mehr - auch der Krankenkasse nicht, die deswegen auch gerade kurz davor ist, mich rauszuwerfen. Wie das alles weitergehen soll, weiß ich noch nicht so genau... Das Jahr ist auch noch nicht zuende, und wir haben immerhin noch drei Monate für weitere Katastrophenfälle übrig. *seufz* Nur unsere beiden Junioren hatten Glück: Tini konnte gleich zwischen drei Universitäten auswählen, wo sie studieren möchte (für den Anfang wird es Bremen), und André, dessen Ausbilderfirma im Sommer plötzlich Insolvenz anmelden und ihn entlassen mußte, hat glücklicherweise auch umgehend eine neue Stelle als Lagerarbeiter gefunden - gleich hier in der Nachbarschaft. Mir bleibt nur die Hoffnung, meinen Kampf mit Ämtern und Zähnen doch noch irgendwann zu gewinnen. Daumen drücken erwünscht!

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